Die Geschichte von Karl Kartoffel

Unser Reizthema heute: Die Geschichte von Karl Kartoffel.

Heute ist Märchenstunde bei Onkel Klopsi, denn ich erzähle euch die fantastische Geschichte von Karl Kartoffel.

Karl Kartoffel war ein durchschnittlicher Typ. Fast schon langweilig. Karl lebte mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem Reihenendhaus. Karl ging zur Arbeit. Karl schätze geregelte Mahlzeiten. Karl war glücklich. Oder mindestens zufrieden.

Karl und seine Frau Karla Kartoffel waren aber auch darum besorgt, anderen zu helfen. Sie hatten ja genug, da war es doch ihre Pflicht. Sie spendeten ein bisschen für Brot für die Welt. Für die Flutopfer in Asien. Nicht fürs Otterzentrum, schließlich spendeten sie schon genug, sie konnten nun auch nicht alles auf ihre Schultern laden. Außerdem war Karla Krankenschwester, und Karl war Feuerwehrmann, das war doch auch schon sehr gemeinnützig. Und dem Mann vorm Edeka kaufte Karl immer die Obdachlosenzeitung ab.
Eines Tages entschieden Karl und Karla sich, ein Pflegekind zu sich zu nehmen. Die Kinder Klaus und Klaudia fanden das super. So kam der kleine Kasimir zu den Kartoffels, der es bisher nicht so gut gehabt hatte und aus dem sicher mehr werden würde, wenn er bei den Kartoffels aufwüchse, als wenn er im Heim unterkäme.

Alles war gut bei Familie Kartoffel.

Dann aber wollte Karla Kartoffel noch mehr Pflegekinder. So zog der kleine Kufnuk bei den Kartoffels ein. Kufnuk war schon etwas älter, und hatte eine andere Weltsicht. Wenn es Streit mit seinen Geschwistern gab, schlug er immer gleich zu. Und seine Wortwahl war auch nicht gerade erlesen, so dass Karl und Karla an ihm verzweifelten. Karla reagierte mit einem weiteren Pflegekind, einem gleichgesinnten Spielkameraden für Kufnuk, dem kleinen Khaled. Khaled war schon im Teenageralter. Er verkaufte Drogen auf dem Schulhof, blieb immer ewig weg, ohne seinen Eltern Bescheid zu sagen, und schwänzte immer die Schule.
Karl und Karla mussten viel Zeit investieren, um sich um ihre neuen Pflegekinder zu kümmern. Daher konnten sie sich kaum noch um Klaus und Klaudia kümmern, die das sehr traurig machte. Ihre Noten wurden schlechter.

Karla meinte, die Situation verbessern zu können, in dem sie den netten Obdachlosen Olli vom Edeka bat, bei der Kinderbetreuung zu helfen. So stellte sie ihn als gelegentlichen Babysitter an. Auch er konnte Kufnuk und Khalid nicht zähmen, aber Karl und Karla konnten etwas durchschnaufen.
Von den positiven Erfahrungen mit Olli dem Obdachlosen animiert, schlug Karla vor, noch mehr Obdachlose zu sich einzuladen. Das waren bestimmt alles ganz tolle Menschen, die nur Pech im Leben gehabt hatten. Karl war zwar dagegen, aber was sollte er schon machen? Seine Frau wollte es so.
So lud Karla noch mehr Leute zu sich ein. Ratze den Brecher, Mülltonnen-Schorse, Fetti den Stinker, Langfinger-Uwe und natürlich Heroin-Helena. Sie kamen und gingen, bekamen Mahlzeiten, mal einen Platz zum Schlafen und mal ein paar Mark für etwas zu essen auf die Hand.
Klaus und Klaudia lernten viele Dinge von den neuen Dauergästen: wie man am besten eine Flasche Wodka aus einem Supermarkt schmuggelte. Wie man sich richtig prügelte. Wie man die Reinheit von Heroin testete.

Die Großzügigkeit der Kartoffels strahlte wie ein Stern über der Nachbarschaft. Beim Straßenfest meinten die Nachbarn: "Toll, wie ihr das macht! Super! Ihr seid wirklich ein leuchtendes Vorbild an Menschlichkeit!"
Das sprach sich herum, und schon bald standen noch mehr Leute bei den Kartoffels vor der Tür.
Hosen-Holger, Beton-Atze und Kristallrainer hatten gehört, dass es hier was umsonst gab. Sie kamen regelmäßig zum Essen. Karla musste jetzt mehr kochen, und Karl natürlich mehr einkaufen. Abends saßen die Obdachlosen oft im Wohnzimmer der Kartoffels, gröhlten laut und tranken bis spät in die Nacht. Karl und Karla waren nur noch zum Aufräumen in ihrem Wohnzimmer. Weil sie kaum noch Schlaf bekamen, fiel es ihnen schwer, zur Arbeit zu gehen.  Und weil sie so viele Leute umsorgen mussten, konnten sie nicht mehr an Brot für die Welt spenden.
Es kam Jallah Mahallah mit seiner Gruppe sehr höflicher junger Männer. Er redete nur mit Karl und verweigerte Karla den Handschlag. Er war vermutlich auch obdachlos, jedenfalls bekam er ein Zimmer im Dachgeschoss, breitete sich aber schnell über das ganze Dachgeschoss aus. Bald durften die Kartoffels dort nicht mehr hin, weil Jallah Mahallah und seine Freunde dort beteten und einen heiligen Ort eingerichtet hatten, der nun für Ungläubige tabu war.
Es kamen Mahmud und Utzfuk, die kein Wort Deutsch sprachen. Keiner wusste, was sie wollten, also bekamen sie erstmal eine Suppe gereicht. Sie spuckten aber auf den Boden und signalisierten, dass ihnen Bargeld lieber sei. Mit 200 Euro zogen sie schließlich ab, kamen aber wieder. Täglich. Wenn es kein Geld gab, spuckten sie wieder auf den Boden und schrien herum.
Mungabungo und seine wechselnden Freunde und Freundinnen hingegen hingen einfach im Vorgarten herum. Dort machten sie Feuer, grillten, paarten sich, telefonierten laut oder sangen bis tief in die Nacht. Sie kamen eigentlich nur nach drinnen, um die Toilette zu benutzen, machten aber immer eine Riesensauerei.
Beim nächsten Straßenfest ernteten Karl und Karla wieder viel Beifall für ihr humanitäres Engagement. Als sie dann die Nachbarn baten, ob sie ihnen vielleicht den einen oder anderen Besucher abnehmen könnten, hatten die Nachbarn es eilig, das Fest zu verlassen. Manchen mussten dringend Rasenmähen, andere hatten noch einen Kuchen im Ofen.

Als es einmal wieder Aufregung um Mahmud und Utzfuk gab, fasste sich Klaus ein Herz und sagte ihnen, dass sie hier nicht mehr erwünscht seien. Sie lachten und schlugen ihn, bis er nicht mehr aufstehen konnte. Dann plünderten sie den Schmuck aus den Nachtschränken der Kartoffels.
Mungabungo betatschte währenddessen Karla Kartoffel im Garten. Sie sagte ihm, dass sie das nicht möchte, aber er hörte nicht auf. Es endete im Brombeerbusch, und es endete blutig für Karla.
Klaus wurde von Jallah Mahallah aufgefordert, sich zu seinem Gott zu bekennen, sonst sei er ein Ungläubiger und müsse sterben. Klaudia müsse sich verhüllen, sonst müsse auch sie sterben.
Klaus und Klaudia wussten nicht, was sie machen sollten. Sie riefen nach ihren Eltern, aber die konnten sie nicht hören. Klaus ließ sich dazu bewegen, irgendwelche Worte zu wiederholen, die er nicht verstand. Klaudia wurde einem Jünger von Jallah Mahallah versprochen, mit dem sie jetzt im Dachboden leben müsse. Sie dürfe nicht mehr nach draußen, es sei denn, er erlaube es.

Als Karl Kartoffel wieder zu sich kam, schleppte er sich auf die andere Straßenseite und besah sich sein Haus. Es brannte. Es brannte lichterloh. Die Gäste, denen sie die Hand gereicht hatten, trieben sich im Garten herum und feierten das Feuer. Irgendwo da drin war seine Familie, aber er war zu schwach, ihr noch zu helfen.

Klaus besah sich seine Nachbarschaft. Die Schlangen der Bittsteller reihten sich vor den Haustüren auf. Manche wiesen die Besucher ab, andere ließen sie ein. Ach könnte er sie doch warnen! Könnte er sie vor einem riesigen tragischen Fehler bewahren! Aber es war zu spät. Es waren zuviele. Zuviele Leute, die ankamen. Zu viele, die ihre Türen öffneten. Die Straße war verloren. Ernsthaft.



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